




Das Gas-Aus in Mannheim
Mannheimer MVV will die Gasversorgung für private Eigentümer bis zum Jahr 2035 abstellen
Die Energiewende ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen unserer Zeit. Man kann dabei durchaus geteilter Meinung sein und sicherlich war/ist nicht alles, was politisch festgelegt wird und wurde, der Weisheit letzter Schluss. Aber der Gebäudesektor muss seinen Beitrag leisten. Hier entstehen rund ein Drittel der CO2-Emmissionen.
Die Ankündigung der Mannheimer MVV, bis zum Jahr 2035 für die privaten Eigentümer die Gasversorgung abzuschalten, schlägt verständlicherweise nach wie vor hohe Wellen. Das Thema ist äußerst kontrovers und für die Eigentümer mit großen Unsicherheiten und unter Umständen sehr hohen Kosten verbunden. Es mag kein richtiger Trost sein, aber wir sind mit diesen Problemen nicht alleine. Es wird auch in anderen Städten diskutiert, etwa Stuttgart oder Augsburg, und weitere werden sicher folgen.
Auch wenn sich die Entwicklung für den aufmerksamen Beobachter vielleicht abgezeichnet hat, kam die Ankündigung der MVV für die breite Masse völlig unerwartet. Dabei ist die Entwicklung gar nicht so überraschend: Nach dem Gebäudeenergiegesetz endet die Beheizungsmöglichkeit mit fossilen Brennstoffen spätestens am 31.12.2044. Danach dürfen Heizungen nicht mehr mit Öl oder Gas betrieben werden. Die Stadt Mannheim möchte gemäß dem Klimaschutzaktionsplan schon bis 2040 klimaneutral sein.
Warum Gas-Aus?
Dass Produkte und Dienstleistungen vom Markt verschwinden, ist erst mal keine Seltenheit. Niemand spricht heute mehr über Nokiahandys, Faxgeräte oder bleihaltiges Benzin. Pferdekutschen als Transportmittel sind auch eher eine nostalgische Angelegenheit. Dabei war all dies einmal Standard und aus dem täglichen Leben nicht wegzudenken. Nun kann man dem entgegenhalten, dass die Beheizung zu den Grundbedürfnissen jedes Einzelnen zählt. Niemand soll in seinen eigenen vier Wänden frieren müssen. Das ist richtig. Aber das bedeutet ebenfalls nicht, dass damit der Status quo auf ewig zementiert werden würde – vor allem, wenn es sich als auf Dauer zu (umwelt-)schädlich erweist.
Grund für das Gas-Aus ist v. a. der steigende Gaspreis. Schon jetzt sind die Anschlusskosten um das Sechsfache gestiegen. Aber vor allem die laufenden Kosten werden in Zukunft deutlich steigen. Wenn man berücksichtigt, dass zunehmend weniger Gasnutzer vorhanden sein werden (da immer mehr Eigentümer auf Fernwärme, Wärmepumpe oder andere Beheizungsformen umsteigen), ist ein Kostenanstieg offensichtlich. Denn die Betriebskosten für das Gasnetz werden auf immer weniger Verbraucher verteilt. Gleichzeitig wird der Gaspreis auch aus politischen Gründen aller Voraussicht nach steigen, Stichwort CO2-Kosten. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme, dass Gas immer teuer wird, plausibel.
Das Gas-Aus wird also kommen. Selbst wenn es nicht 2035 sein wird, dann doch spätestens 2045. Wir diskutieren also lediglich über das Wann, nicht über das Ob. In diesem Zusammenhang: Die Bundesnetzagentur hat im Herbst letzten Jahres eine Anpassung der kalkulatorischen Nutzungsdauern und Abschreibungsmodalitäten von Erdgasleitungen veröffentlicht. Dies ermöglicht den Versorgern kürzere Abschreibungsfristen und schützt letztlich die Kunden, die langsamer aus der Gasversorgung aussteigen (müssen). Die Kosten werden stärker auf die jetzt vorhandenen Kunden verteilt. Zudem will der regionale Betreiber des Gasfernleitungsnetzes (Terranets BW) nur noch bis 2040 Erdgas liefern. Und vor allem die europarechtlichen Rahmenbedingungen spielen eine zentrale Rolle: Die sog. EU-Gasbinnenmarkt-Richtlinie muss zwar noch in deutsches Recht umgesetzt werden. Danach müssen die Versorger aber Netzentwicklungspläne und Stilllegungspläne für die bestehenden Gasnetze erstellen und fortschreiben. Das bedeutet letztlich, wenn Alternativen wie Fernwärme verfügbar sind, wird damit die Abschaltung des Gasnetztes wahrscheinlich.
Kritikpunkt Kommunikation
Deutlich zu kritisieren ist die Kommunikation seitens der MVV. Die Nachricht über das Ende der Gasversorgung kam für Eigentümer quasi aus dem Nichts und hat verständlicherweise zu Verunsicherung, Angst und auch Wut geführt. Es wäre sinnvoll gewesen, frühzeitig ein Netzwerk von Handwerkern und Fachbetrieben sowie Beratungsmöglichkeiten aufzubauen, und zwar bevor man mit der Botschaft „Gasausstieg“ an die breite Öffentlichkeit geht. Damit hätte man die Kunden direkt an die entsprechende Beratung und Fachleute verweisen können. So fühlten sich v. a. Kunden, die erst in den letzten zwei, drei Jahren eine neue Gasheizung eingebaut haben, betrogen.
Zwischenzeitlich wurde mit Informationsveranstaltungen und in Zusammenarbeit mit der Klimaschutzagentur Mannheim einiges wieder gutgemacht. Auf der Seite der Agentur (www.klima-ma.de) gibt es ein breites Informations- und Beratungsangebot, inkl. einer Übersicht der Energieberater, Wärmepumpencheck oder auch einer Fachpartnersuche. Daneben gibt es Informationsmöglichkeiten zur Finanzierung und Förderung etwa durch die L-Bank Baden-Württemberg oder die VR Bank Rhein-Neckar.
Was sollen Eigentümer nun machen?
Dass heute mit dem gegenwärtigen Wissen niemand mehr eine Gasheizung einbauen sollte, versteht sich hoffentlich von selbst. Manchmal mag es Situationen geben, in denen es schnell gehen muss. Aber wenn es sich vermeiden lässt, sollte man nicht zu einer Gasheizung greifen. Eigentümer, die in den letzten Jahren eine Gasheizung neu eingebaut haben, haben im Moment leider das Nachsehen. Sie können die wirtschaftliche Lebensdauer der Anlage voraussichtlich nicht mehr komplett amortisieren. Für diese Fälle brauchen wir Lösungen und Antworten auf die juristischen Fragen.
Dabei geht es um komplexe Fragestellungen: So setzt das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs prinzipiell ein Verschulden des Schädigers voraus. Liegt ein solches aber vor, wenn der Versorger mit 10 Jahren Vorlauf die Netzabschaltung ankündigt und/oder er sich auf die Unwirtschaftlichkeit des Weiterbetriebs berufen kann und darf? Und wann darf/kann der Versorger generell sein Gasnetz stilllegen? Wir bewegen uns hier auf juristischem Neuland und der Gesetzgeber ist gefordert, im Interesse der Bürger sinnvolle und tragfähige Lösungen zu finden.
Allerdings hat das Vorgehen der MVV zugegebenermaßen einen kleinen Vorteil: Es ist spätestens jetzt jedem klar, wo die Reise energetisch hingeht. Man kann sich frühzeitig auf die Entwicklung einstellen. Wenn die MVV die Pläne bspw. erst 2032 publik gemacht hätte, wäre die Situation für die breite Masse deutlich schwieriger als sie sich derzeit darstellt. Denn man muss eines deutlich sagen: Jeder Eigentümer kann planen. Prinzipiell muss niemand in den nächsten 12 Monaten den kompletten Umstieg bewerkstelligen. Man kann sich informieren und beraten lassen.
Sanierung für eine zukunftsfeste Immobilie
Seit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes haben nicht wenige Eigentümer ihre Immobilien saniert und energetisch ertüchtigt. Man muss und kann die gegenwärtige Situation als Chance begreifen. Eine Sanierung gemäß den Vorgaben des GEG bedeutet letztlich eine deutliche Wertsteigerung der Immobilie und sie wird zukunftsfest gemacht. Wie sich die Kosten und die Energiepolitik entwickeln werden, ist nur in Grenzen absehbar. Der Gasausstieg ist aber im Ergebnis sicher. Wir werden lediglich über den Zeitraum diskutieren. In den kommenden 10 Jahren werden wir dabei sicherlich eine deutliche technische Weiterentwicklung erleben. Vielleicht erfindet jemand sogar eine gute und günstige Produktionsmöglichkeit für Wasserstoff oder gar die stabile und sichere Kernfusion.
Aber soweit muss man gar nicht denken. Die technische Entwicklung bei den Wärmepumpen in den letzten Jahren ist durchaus beeindruckend. Immerhin kann man damit heute auch viele Mehrfamilienhäuser bedienen, was vor einigen Jahren nur mit sehr großem Aufwand möglich war. Und auch eine Dämmung muss nicht immer zwingend sofort erfolgen. Mit höherem Stromaufwand kann man in geeigneten Fällen vernünftige Heizergebnisse erreichen.
Verlässliche Rahmenbedingungen sind wichtig
Ob die neue Bundesregierung an der generellen Ausrichtung etwas ändern wird, bleibt abzuwarten. Es wäre jedoch aus Gründen der Planbarkeit wenig sinnvoll, wieder mehrere Schritte rückwärts zu machen. Wenn man den eingeschlagenen Weg als richtig akzeptiert, brauchen Eigentümer stabile und verlässliche Rahmenbedingungen, damit man sich darauf einstellen und v. a. vernünftig planen kann.
Ob 2035 tatsächlich das Gasnetz abgeschaltet wird, ist Stand heute nicht sicher. Auch die MVV selbst hat eingeräumt, dass das Jahr nicht fix ist. Der derzeitige gesetzliche Rahmen lässt ein Ende der Gasversorgung aber zu. Bei einem unwirtschaftlich gewordenen Betrieb kann der Gasversorger entsprechend agieren. Hier stehen noch viele ungeklärte Fragen im Raum, wie etwa unter welchen Bedingungen den Versorger doch eine Betriebspflicht trifft. Auch hier ist der Gesetzgeber gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen aufzustellen.
Wir brauchen Lösungen
Ob die Gründung von Bürgerinitiativen ein sinnvolles Mittel ist, um dem Gasausstieg zu begegnen, erscheint fraglich. Eine allgemeine „Dagegenhaltung“ ist nicht zielführend. Die Rechtslage wird sich voraussichtlich nicht wesentlich ändern und der Klimawandel wird nicht verschwinden. Man kann sich auch nicht auf die Behauptung zurückziehen, es würde den Rest der Welt nicht interessieren, was Deutschland energiepolitisch tue. Das ist letztlich nur eine Art Lemming-Argument. Die Welt wurde noch nie besser, weil sich keiner traute, anders zu denken. Und wir können die Zukunft nur gestalten, wenn wir uns der Realität stellen. Aber wir brauchen Lösungen für die Kunden, die im Vertrauen auf die Aussagen der MVV in den letzten Jahren eine Gasheizung eingebaut haben. Und wir brauchen Lösungen für die Kunden, die einen Umstieg nicht einfach bewerkstelligen können, sei es weil es keinen Fernwärmanschluss für sie geben wird, sei es weil ihnen die finanziellen Mittel fehlen.




